Binomi?!

Erwin Binomi (1702 - 1783)

wurde dann kurz von seinem Tode doch noch zum "von" geadelt, und zwar aus drei Gründen:

  1. für 50jähriges unbeirrbares Schleimspurziehen am Hofe zu Bentheim,
  2. , weil er genauso grenzdebil war wie sein Fürst, was letzterer gut ertragen konnte,
  3. , weil er bei aller sonstigen angeborenen Dämlichkeit am 4.3.1765 morgens um 7.23 h doch einen (einzigen) lichten Augenblick hatte, nämlich versehentlich die nach ihm benannten "binomischen Formeln" entdeckt hat.

Oh jadoch, auch so kann man die "binomischen Formeln" im Kopf von SchülerInnen festnageln (vgl. ).

Viel wichtiger ist allerdings "bi-nomi" [vgl. bi-sexuell :-) !], also "zwei Namen/Glieder", und zwar

  1. im Sinne von zwei Termen, also a + b bzw. a - b;
  2. aber doch wohl auch, weil es da vor lauter Zweien nur so wimmelt:

(a + b)2 = a2 + 2ab + b2

(damits sozusagen auch noch der Dümmste merkt, kommt das so oft vergessene "gemischte Glied" ab aus den zwei Variablen a und b sogar noch doppelt bzw. zwei Mal vor)

Ein "Trinomi" sähe dann also vermutlich doch folgendermaßen aus:

(a + b + c)3 = irgendwas mit massenhaft Dreien (was nicht stimmt!).

Solche "Gags" (wie oben schon die Kurzbiografie Erwin von Binomis) dienen doch nur dazu,

  1. dem Vergessen und (viel schlimmer)

  2. dem falschen Memorieren

vorzubeugen. 

Eine andere hübsche Hilfe ist da nebenbei .

Typischer Lehrerspruch: Spaß beiseite! Woran liegts denn nun wirklich, dass "der" Binomi andauernd falsch memoriert bzw. angewandt wird, also in der falschen Form

(a + b)2 = a2 + b2,

d.h. unter Weglassung des "gemischten" Gliedes 2ab ?

(Oder allgemeiner gefragt [und dafür soll hier der Binomi nur pars pro toto sein]: woran liegts denn, dass SchülerInnen so oft die [angeblich] simpelsten Rechenregeln missachten?

Ein Grund gleich vorweg: man macht sich als LehrerIn ja viel zu selten klar, wie viele Formeln schon AchtklässlerInnen permanent parat haben und wiedererkennen können müssen.)

Einen ersten Grund für die falsche Umformung (a + b)2 = a2 + b2 sehe ich darin, dass SchülerInnen die Funktion von Klammern nicht verstanden haben

(was sich dann immer darin zeigt, dass sie sie zwar öffnen, aber nicht wieder schließen [ganz am Ende längst vergessen haben, dass sie sich noch in einer Klammer befinden]; oder dass sie nicht dafür sorgen, dass Klammern sich übergreifen, also fälschlich z.B. schreiben: ( [ ...) ]. Da hilft nur eins: Klammern [wortwörtlich!] als bzw. mittels Schachteln beibringen, und Schachteln kann man auch nur - wie

 

- ineinander setzen.)

Hauptgrund für die falsche Umformung (a + b)2 = a2 + b2 ist aber wohl, dass der Binomi

(a + b)2 = a2 + 2ab + b2

ohne Sinn und Verstand eingepaukt und dementsprechend schnell auch wieder vergessen wird.

Meine Frage ist hier also - überspitzt gesagt -: "Binomi?!", d.h., soll man "den" Binomi überhaupt noch durchnehmen, wenn er doch sowieso so oft vergessen bzw. falsch angewandt wird? Macht er nicht alles nur noch schlimmer?

Denn der "Binomi" ist ja keineswegs unabdingbar nötig (es ginge auch prächtig - nur umständlicher - ohne ihn), sondern nur eine Arbeitsvereinfachung

(a + b)2 = (a + b) · (a + b) = a·a + a·b + b·a + b·b = a2 + a·b +a·b + b2 = a2 + 2ab + b2

wird auf die violetten Terme verkürzt, man spart sich also das lästige und umständliche Multiplizieren zweier Klammern (jedes Terms der ersten mit jedem Term der zweiten Klammer).

Nur hat das umständliche Rechnen mit allen Zwischenschritten ja durchaus auch Vorteile:

  1. weiß man noch, was (a + b)2 und (überhaupt Quadrieren) eigentlich bedeutet, nämlich (a + b) · (a + b);

(vgl. dass SchülerInnen andauernd 23 und 32 und 3·2 durcheinander werfen bzw. für identisch halten)

  1. vergisst man nicht, wie zwei Klammern miteinander multipliziert werden, was man ja trotz Binomi immer dann braucht, wenn die "beiden" Terme nicht exakt gleich sind, also z.B. in (a + b) · (a + c).

Eine besondere Gefahr liegt ja auch darin, dass "der" Binomi gnadenlos angewendet wird, auch wenn die "beiden" Terme nur sehr ähnlich, aber nicht exakt gleich sind, also z.B. in (3x + 4y)·(3x + 4).

Oder umgekehrt: SchülerInnen sehen gnadenlos die "rechte" Seite a2 + 2ab + b2 des Binomi [und formen dann in die linke, also (a + b)2 um ], auch wenn die Übereinstimmung nur ungefähr ist, also zwar im ersten und letzten Term, nicht aber im mittleren (gemischten) besteht. Z.B. ähnelt 9x2 + 25xy + 16x2 vom ganzen Aufbau her tatsächlich einem Binomi, aber nur 9x2 + 24xy + 16y2 ist in (3x + 4y)2 umformbar.

Überhaupt macht die - beim Lösen quadratischer Gleichung dringend benötigte - "Rück-Richtung" (von rechts nach links) erheblich größere Schwierigkeiten als die "Hin-Richtung" (!; von links nach rechts).

Vermutlich ist die Alternative "Binomi ganz oder gar nicht" falsch. Aber "die" Binomis müssten immer wieder nicht nur (eben als Verkürzung) angewandt werden, sondern 

  1. ab und zu wieder mit Inhalt gefüllt werden, also der vollständigen Formel

(a + b)2 = (a + b) · (a + b) = a·a + a·b + b·a + b·b = a2 + a·b +a·b + b2 = a2 + 2ab + b2

unter Berücksichtigung jedes Einzelschritts (sogar inkl. des Kommutativgesetzes b·a = a·b).

Das ist vergleichbar mit der p-q-Formel x = - p/2 ± bei quadratischen Gleichungen: weil man sie so gefährlich

muss man sie sich eben auch jederzeit wieder mittels quadratischer Ergänzung (Anwendung des Binomi!) herleiten können, d.h. man muss wissen, was man tut bzw. wie es zu der einfachen p-q-Formel kommt.

Ich halte solche Formeln (z.B. insbesondere den sowieso meist falsch angewandten Satz von Vieta) manchmal in der Tat für gefährlich kontraproduktiv: die SchülerInnen vergessen vor lauter "Schema F" vollständig, warum etwas funktioniert und wie es notfalls auch ohne Formel funktioniert.

  1. , wenn man sie schon "extemporiert", auch betont extemporieren, also unter Berücksichtigung der entscheidenden Unterschiede zwischen den drei Binomis:

(a + b)2 (a + b) · (a + b) = a2 + 2ab + b2
(a - b)2                            (a - b) · (a - b) = a2 -  2ab + b2
             (a + b) · (a - b) = a2     nix   - b2

Das kann man gar nicht systematisch genug erarbeiten (und sauber untereinander!) an die Tafel schreiben.

  1. andauernd mit "Sinn" (anderen Variablen) gefüllt werden, also z.B. mit 3x statt a und 4y statt b; es müsste eben klar werden, dass a und b auch nur Variable sind, in die beliebige andere Terme eingesetzt werden können 

weshalb ich manchmal lieber rechne 

(Blabla + Dingsbums)2 = Blabla2 + 2Blabladingsbums + Dingsbums2 

  1. von Fällen abgesetzt werden, in denen ein Binomi nur scheinbar oder gar nicht anwendbar ist (s.o.).

Ich weiß, (wir) LehrerInnen tun das alles schon andauernd, wir reißen uns ein Bein dabei aus - und sollten es doch noch sehr viel mehr tun.


  1. habe ich in schon das Gegenteil gezeigt, nämlich warum einige Menschen mit dem "Binomi" keinerlei Schwierigkeiten haben, und damit wurden dort auch schon Wege angedeutet, wie man ihn besser "beibringen" kann;

  2. kann keine Frage bestehen, dass man (u.a.) den "Binomi" massenhaft gepaukt, Fehler gemacht und diese erkannt und dann überhaupt erst überwunden haben muss.

Merkwürdig ist aber doch, dass mir - so scheint mir zumindest jetzt - das eigentlich Problem erst jetzt auffällt:

Oder anders gesagt: sie haben tatsächlich was verstanden, nämlich das Distributivgesetz (der Multiplikation), und wenden es jetzt auch (fälschlich) bei Potenzen an.

Sogar das entbehrt ja nicht einer gewissen Logik, wo doch die Potenzrechnung eine abgekürzte Multiplikation ist.

Mir scheint aber, so weit (und schlau) denken die meisten SchülerInnen, die sowas falsch machen, gar nicht: sie erkennen gerade nicht, dass da Potenzen statt einer Multiplikation vorliegen.

Bzw. eine Potenz ist für sie

Vielleicht macht also sogar die Schlampigkeit vieler SchülerInnen sogar Sinn: für sie sind

exakt dasselbe, und dementsprechend rutschen sie je nach Lust und Laune hoch und runter.

Könnte es also sein, dass die Gründe beim "Binomi-Problem" vorher liegen, nämlich bei den Potenzen?

Ein ewiger anderer Standardfehler ist ja in der Tat die falsche Gleichsetzung bzw. Verwechslung

x●2 = x2  = x2

und dann auch noch die (natürlich in der Regel falsche) Vertauschung

x2 = 2x

Wenn uns nun aber das Argument

"Jetzt bringe ich diesen Dämels von SchülerInneN schon seit 15 Jahren den »Binomi« bei, und sie raffen es noch immer nicht."

verdächtig vorgeschoben

("am besten sind immer die anderen [hier also die SchülerInnen] schuld")

und kurzsichtig erscheint, so müssen die Gründe für solche Fehler der SchülerInnen letztlich doch bei uns LehrerInneN liegen.

Hauptgrund scheint mir, dass Bedeutung sowie (mehr noch) Sinn & Zweck von Potenzen nicht fundiert genug erarbeitet wurden.

Bzw. das Fatale ist diese permanente 2.

Wenn nämlich der Sinn der Potenzen darin besteht, eine Multiplikation abzukürzen

(also z.B.

3 3 3 3 = 34)

genau so, wie die Multiplikation schon die Addition abkürzt, nämlich z.B.

3 + 3 + 3 + 3 = 4 3),

so ist

x x = x 2

das denkbar schlechteste Beispiel für diese Abkürzung, weil da eben kaum eine Abkürzung vorliegt: statt der drei Zeichen "x x" braucht man in "x 2" nur eins weniger, also zwei.

Da aber

Nun ist aber der Exponent 2 fatal dominant in der gesamten Schulmathematik:

Höhere Exponenten, bei denen die Potenzschreibweise überhaupt erst Sinn macht, sehen die SchülerInnen (insbesondere in der Unter- und Mittelstufe) aber fast nie

(und das sogar aus guten Gründen:

Und wie das so oft im Mathematikunterricht ist: man erwähnt die Ausnahmen (hier höhere Potenzen) zwar der Korrektheit halber mal, sie bleiben aber derart selten (oftmals nur ein Beispiel), dass sie doch nur die Regel bestätigen bzw. gar festbetonieren.

Die SchülerInnen wachsen also sozusagen in einer Welt aus 2en bzw. in einem zweidimensionalen auf.

Wundert es einen da noch, dass sie nicht mit 3en und überhaupt Potenzen umgehen können?

Sinnfällig werden Potenzen doch überhaupt erst bei sehr hohen Exponenten, also z.B.

4 10 = 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 =  1 048 576

Und es muss anschaulich verstanden werden, was für ein explosiver Prozess mit der Erhöhung der Exponenten verbunden ist.

D.h. aber doch: es reicht nicht, z.B. in der 6. Klasse schon Potenzen einzuführen, ohne schon auf die Exponentialfunktionen vorzuverweisen, sondern immerhin schon der Prozess solcher Funktionen (noch nicht die Einzelheiten) muss schon vorweg genommen werden.

Und überhaupt ist es tödlich für die Anschauung, die Mathematik - wie doch meist üblich - sukzessive und linear durchzunehmen, also ohne zurück und voraus zu schauen.

Ein ganz anderes Problem dabei ist, dass es für hohe Potenzen kaum (unterstufengemäße) Anwendungen gibt:

Anzahl der Moleküle in einem mol (bei Gasen in 22,4 Liter) 6,023 10 23
Anzahl der Atome der Erde 10 51
Anzahl der Atome der Sonne 10 57
Anzahl der Atome in unserer Galaxis 10 67
Anzahl der Atome im Weltall (ohne dunkle Materie) 10 77

Genau diese Fälle sind aber im Unter- und Mittelstufenunterricht weitgehend irrelevant.

Nebenbei: es wäre ja wohl vor allem ein Gespür dafür zu verschaffen, wie schnell sich da die Größenordnung ändert:

Ein Mittel, um die Potenzen immerhin ansatzweise anschaulich zu machen, scheint mir anfängliche geometrische Veranschaulichung (vgl. ).

Vgl. auch


PS: