"Hünengräber zwischen
Tecklenburg und Lengerich
unter besonderer Berücksichtigung des
Flechtenbewuchses"
Was der Volksmund schnöde "Hünengräber" nennt, heißt wissenschaftlich
hochgestochen "Megalithgräber", was übersetzt aber auch wieder nur
schnöde "Große-Steine-Gräber" bedeutet. Vor vielen Jahren haben einige Freunde und ich uns einen Spaß daraus gemacht, uns in unserem geliebten, inzwischen aber leider geschlossenen Hubertihof bei dem einen oder anderen Bier gegenseitig Auszüge besonders bescheuerter oder grottenschlechter Doktorarbeiten prominenter Personen vorzulesen. Da haben wir dann z.B. herzhaft über die Doktorarbeiten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl oder des damaligen Kardinals und späteren Papstes Joseph "Ratte" Ratzinger gelacht. |
Vor ewigen Zeiten habe ich mir mal als Inbegriff überflüssiger und schnarchlangweiliger Wissenschaft im Elfenbeinturm den Doktorarbeitstitel
"Hünengräber
zwischen Tecklenburg und Lengerich unter besonderer Berücksichtigung des
Flechtenbewuchses"
ausgedacht:
Stonehenge
ist, sind Hünengräber doch
höchstens in
interessant:
.
(insbesondere für Menschen, die nicht - wie ich - im Münsterland wohnen)
"irgendwo im Nirgendwo" bzw. "am Arsch der Welt":
(die höchstens insofern miteinander zu tun haben, dass Flechten auf vielen ollen Gemäuern und also wohl auch auf Hünengräbern wachsen)
mittels "unter besonderer [!] Berücksichtigung von".
Ich habe oben mit voller Absicht eine Kleinigkeit unterschlagen:
"[...] scheinbarer Inbegriff überflüssiger und schnarchlangweiliger Wissenschaft [...]".
Allerdings sind mir erst sehr viel später solide Begründungen für diese These untergekommen:
in Wechte, einem Ortsteil von Lengerich in Nordrhein-Westfalen, ist ein versetzter Grabhügel aus der Zeit um etwa 1700 v. Chr., der sich in der Straße „Am Steinhügelgrab 29“ befindet. Das Original befand sich 400 m nördlich auf der Trasse des Autobahnzubringers.
Das zentrale Steinoval von 4,5 × 3 m war aus sechs Lagen verschieden großer
mit Sand vermengter
Findlinge
etwa 0,6 m hoch aufgetürmt. Es enthielt ein Ost-West orientiertes, 0,5 m tiefes,
geböschtes Grab von 2 × 0,5 m. Der mit
Geschieben [= während der Eiszeit von Gletschern geschobenen Steinen]
befestigte Hügelfuß hat einen Durchmesser von 10 m. Der Steinkranz könnte der
Rest einer ehemals geschlossenen Steindecke sein, die die gesamte Kuppe der
Erdaufschüttungen überdeckte und in der Archäologie als Rollsteinhügel
bezeichnet wird."
(Quelle:
; rote Hervorhebung von mir, H.St.)
"Die Lichenometrie
ist eine Methode der
Datierung,
die in der
Archäologie, der
Paläontologie, der
Glaziologie, der
Pedologie [?],
der
Geomorphologie und der
Paläoseismologie das Wachstum von
Flechten
heranzieht, um das Alter freigelegter Felsen oder eines verbauten Werksteins zu
bestimmen. Sie wurde 1957 vom österreichischen Wissenschaftler
Roland Beschel eingeführt.
Die Methode basiert auf einer vorausgesetzten spezifischen Wachstumsrate der Flechten, die für Krustenflechten bei etwa 0,5–2 mm pro Jahr liegt. Aus dem Durchmesser der untersuchten Flechte und der bekannten Wachstumsrate lässt sich das Alter der Flechte errechnen, und damit auf die Zeit zurückschließen, die der Fels freigelegt ist.
Flechten können bis zu 4.500 Jahre alt werden. Dieser Zeitraum stellt auch
die maximale Anwendungszeitspanne dar und umfasst somit nur das Holozän.
Dennoch ist sie mit einer Fehlergrenze von 10 % sehr genau, zumindest wenn sie
an Gesteinen angewandt wird, die weniger als 1000 Jahre offen zutage liegen. Sie
findet vor allem dort Verwendung, wo mit anderen Methoden wie etwa der
Dendrochronologie oder der
Radiokohlenstoffmethode nicht gearbeitet werden kann. [...]"
(Quelle:
; grüne Hervorhebung von mir, H.St.)
Es ist also doch immerhin denkbar, dass die Verknüpfung von Hünengräber und Flechten mittels "unter besonderer Berücksichtigung von" keineswegs so an den Haaren herbeigezogen ist, wie ich es oben noch dargestellt hatte: man könnte mittels der Lichenometrie vielleicht das Alter von Hünengräbern bestimmen, falls das auf anderem Wege nicht möglich ist
Erstaunlich fand ich auch
(erstmal unabhängig von Hünengräbern),
wie enorm alt Flechten werden können.
Ihr potentiell hohes Alter würde aber
(dessen Alter aber sowieso durch die Fundstücke bestimmt werden kann),
Es bleibt natürlich jedem unbenommen, die Altersbestimmung von Hünengräbern mittels Flechten nach wie vor "überflüssig und schnarchlangweilig" zu finden.
Die einen finden nunmal
hochinteressant, die anderen
. Und die einen kannste mit dem anderen jagen.
Man sollte also
(und da werde ich jetzt ja doch pentrant pädagogisch)
großzügig zugestehen, dass andere (oben einige Hünengrab-Spezialisten) aus guten Gründen anderer Meinung sind.
Und man lasse sich doch mal von scheinbar überflüssigen Fragen anstecken, also z.B. von der berühmtesten aller Kinderfragen, nämlich
Man muss ja nicht gleich katholisch werden
(vgl.
und
),
um zu entdecken, dass auch das Unscheinbare und die vermeintlich dummen Kinderfragen hochinteressant sein können:
"Die ‘dumme Frage’ ist gewöhnlich das erste Anzeichen einer völlig neuen
Entwicklung."
(Alfred North Whitehead)
Gerade Genies haben das oft beherzigt:
„Wer nicht kann, was er
will, der wolle, was er kann.“
(Leonardo da Vinci)
"[...] mir selbst erscheine ich nur wie ein Knabe, der am Meeresstrand spielte
und sich damit vergnügte, da und dort einen glatteren Kiesel oder eine hübschere
Muschel als gewöhnlich zu finden [...]"
(Isaac Newton)
"Es erfordert einen sehr ungewöhnlichen Geist, um das
Offensichtliche zu analysieren."
(Alfred North Whitehead)