das Koordinatensystem im Kopf
Komm‘ bei mich
und bleib‘ bei mich,
bei mich, da lernst du Deutsch.
Das „mir“ und „mich“ verwechsl‘ ich nicht,
das kommt bei mich nicht vor.
Ich hab‘ ‘nen kleinen Mann im Ohr
,
der sagt mich alles vor.
üblicherweise sollen Schüler im gängigen (Mathematik-)Unterricht durchgenommenen Stoff „behalten“, d.h. er soll in ihren Köpfen bleiben, statt dass er ihnen zum einen Ohr (!) in den Kopf hinein- und sofort zum anderen wieder hinausgeht, sie ihn also
(meistens direkt nach Klassenarbeiten)
umgehend wieder vergessen.
nebenbei: es wäre doch interessant zu erfahren, wo und wie beispielsweise das Bild im Kopf abgespeichert wird: als chemische und elektrische Verteilungen in miteinander verknüpften Nervenzellen?)
im menschlichen Kopf gibt es tatsächlich ein materielles Koordinatensystem, und zwar .
Aber was an soll eigentlich ein Koordinatensystem sein - das doch
(in seiner dreidimensionalen Version)
gefälligst etwa so auszusehen hat?:
(x = Länge, y = Breite, z = Höhe)
Hingegen siehteher aus wie
Wo also im menschlichen Kopf ist dieser merkwürdige Klumpen - und welche Funktion hat er?
Voilà:
Vom Gehörgang interessiert uns hier allerdings nur und da auch nur der obere Teil bzw. .
(Der untere Teil von , also die "Hörschnecke" , ist das eigentliche Hörorgan des Ohres. Seine Funktionsweise wird wunderbar anschaulich erklärt in
Keine Ahnung, weshalb die beiden Teile und so nah beieinander liegen, ja sogar zusammengewachsen sind, obwohl sie doch völlig unterschiedliche Funktionen haben.)
"[...]
Klassischerweise werden im allgemeinen Sprachgebrauch fünf Sinne unterschieden,
die bereits von Alkmaion von Kroton (ohne den Tastsinn), Demokrit und
Aristoteles beschrieben wurden.
[...]
Der Ausdruck „sechster Sinn“ wird verwendet, wenn jemand etwas bemerkt, ohne es
(bewusst) mit den bekannten Sinnesorganen wahrzunehmen, was manchmal im Sinne
einer „außersinnlichen Wahrnehmung“ (Psi-Fähigkeiten, Telepathie, Hellsehen,
Präkognition) empfunden oder imaginiert werden kann.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der „sechste Sinn“ jedoch von „außersinnlicher
Wahrnehmung“ begrifflich zu trennen, denn beim „sechsten Sinn“ handelt es sich
normalerweise um einen umgangssprachlichen Ausdruck zur Beschreibung einer
Alltagssituation. Es soll damit in der Regel keine bestimmte Aussage darüber
getroffen werden, wie die fragliche Wahrnehmung funktioniert hat (es kann sich
also durchaus um unbewusste Wahrnehmung mit den normalen Sinnen oder eine bloß
zufällige Intuition handeln); ausgedrückt wird damit lediglich, dass sie in der
gegebenen Situation nicht offensichtlich zu erklären war.
Behauptungen über „echte außersinnliche Wahrnehmung“ im engeren Sinn werden
hingegen dem Bereich der Esoterik zugeordnet.
[...]"
(Quelle: )
Nun aber anhand des auch ansonsten sehr lesenswerten Buchs , durch das ich überhaupt erst auf die Idee zu diesem Essay gekommen bin:
"[...]
Im Gegensatz zum Volksglauben ist der sechste Sinn nicht etwa eine
außersinnliche Wahrnehmung, sondern die Propriozeption (auch Propriorezeption)
oder Eigenwahrnehmung. Dank der Propriozeption wissen wir, wo sich unsere
verschiedenen Körperteile im Verhältnis zueinander befinden, ohne dass wir
hinschauen müssen. Während unsere anderen Sinne nach außen orientiert sind,
damit wir Signale wie Licht, Geruch und Geräusche von externen Quellen
wahrnehmen können, liefert uns die Propriozeption ausschließlich Informationen,
die auf dem inneren Zustand des Körpers beruhen. Sie ermöglicht es Ihnen, beim
Gehen Ihre Beine in koordinierter Weise zu bewegen, Ihren Arm zu schwingen,
damit Sie einen Baseball erwischen, und sich im Nacken zu kratzen, wenn es dort
juckt. Ohne Eigenwahrnehmung wäre eine einfache Tätigkeit wie das Zähneputzen
praktisch unmöglich.
Aber diesen sechsten Sinn beachten wir normalerweise wenig, solange wir ihn
nicht verlieren. Wenn Sie jemals durch Alkoholgenuss angeheitert waren, haben
Sie eine geschwächte Eigenwahrnehmung erlebt. Aus diesem Grund benutzt die
Polizei einen Praxistest für Nüchternheit, wenn sie einen Fahrer im Verdacht
hat, er sei betrunken: Der Test besteht in einfachen Aufgaben zur Koordination
von Hand und Auge und verrät sehr schnell, wer eine eingeschränkte
Propriozeption hat und wer nicht. Wenn Sie nüchtern sind, fällt es Ihnen leicht,
mit geschlossenen Augen die eigene Nase zu berühren. Doch schon Leute, die nur
leicht angetrunken sind, finden diesen Test erheblich schwerer.
Die Propriozeption versteht man intuitiv weniger als die anderen Sinne, weil sie
kein eigenes Organ hat, dem sie eindeutig zugeordnet ist. Das Sehen erfolgt mit
den Augen, das Riechen mithilfe der Nase und das Hören mit den Ohren. Sogar die
taktile Wahrnehmung mittels der Hautnerven kann man noch leicht nachvollziehen.
Propriozeption jedoch erfordert den koordinierten Input von Signalen aus dem
Innenohr, das über das Gleichgewicht Auskunft gibt, und anderen Signalen von
spezifischen Nerven im ganzen Körper, die uns unsere Position mitteilen.
Neben den Innenohrstrukturen, die für das Hören notwendig sind, liegt ein
komplexes System von sehr kleinen Kammern, die man Bogengänge und Vestibulum
nennt und die zusammenarbeiten, um die Position des Kopfes fühlbar zu machen.
Die drei Bögen liegen im rechten Winkel zueinander und bilden eine Struktur, die
einer dreidimensionalen Brezel ähnelt. Ihre Gänge sind mit Flüssigkeit gefüllt.
Wenn wir die Position unseres Kopfes ändern, bewegt sich diese Flüssigkeit.
Sensorische Nerven an der Basis eines jeden Gangs werden durch die Bewegungen
der Flüssigkeit stimuliert, und da die Gänge in drei verschiedenen Ebenen
angeordnet sind, können sie auf Bewegungen in allen drei räumlichen Dimensionen
reagieren. Auch das Vestibulum ist mit Flüssigkeit gefüllt und enthält sowohl
Haarzellen als auch Otolithen (Ohrsteine), winzige kristalline Steinchen, die
als Reaktion auf die Schwerkraft nach unten sinken und dadurch zusätzlichen
Druck auf die Haarzellen im Vestibulum ausüben (und sie somit stimulieren). Das
informiert uns darüber, ob unsere Position senkrecht oder horizontal ist oder ob
wir auf dem Kopf stehen. Der Druck der Otolithen auf die Nerven an verschiedenen
Stellen des Vestibulums hilft uns, oben und unten zu unterscheiden. Diese
Funktion gerät in manchen Fahrgeschäften auf einem Rummelplatz ins Schleudern,
wenn die Otolithen so herumgewirbelt werden, dass wir jegliches Gefühl für die
Richtung verlieren.
Während das Innenohr uns hilft, das Gleichgewicht zu wahren, sorgen die
propriozeptiven Nerven im ganzen Körper dafür, dass alles koordiniert bleibt,
und die propriozeptiven Rezeptoren informieren unser Gehirn über die Position
unserer Gliedmaßen. Diese Nerven unterscheiden sich von den Berührungsnerven,
die auf Druck oder Schmerz reagieren und tief in unserem Körper in Muskeln,
Bändern und Sehnen liegen. Das vordere Kreuzband im Knie enthält beispielsweise
Nerven, die uns propriozeptive Informationen aus dem Unterschenkel mitteilen.
Vor einigen Jahren zog ich mir einen Kreuzbandriss zu, als mein Sohn mich beim
Skifahren zum Mithalten anstachelte. Zu meiner großen Überraschung hatte ich
nach dem Unfall Mühe mit dem Gehen: Ich stolperte ständig über meine eigenen
Füße. Offenkundig hatte ich die Fähigkeit eingebüßt, propriozeptive
Positionssignale des Fußes wahrzunehmen – und gewann sie nach und nach zurück,
als mein Gehirn begann, Informationen aus anderen Nerven des Unterschenkels zu
verarbeiten.
Zwei wichtige, miteinander verknüpfte Prozesse des Körpers hängen von der
Propriozeption ab: die Wahrnehmung der relativen Position unserer Körperteile in
Ruhe (statische Wahrnehmung) und das Empfinden für die relative Position unseres
Körpers in Bewegung (dynamische Wahrnehmung). Propriozeption umfasst nicht nur
unseren Gleichgewichtssinn, sondern auch die koordinierte Bewegung – vom simplen
Winken mit einer Hand über die kompliziertere Integration von Bewegung und
Balance beim Gehen auf der Straße bis hin zu den sehr komplexen Bewegungen einer
Turnerin, die bei den Olympischen Spielen einen Salto auf dem Schwebebalken
schlägt. Diese beiden Prozesse – statische und dynamische Wahrnehmung der
Körperposition – hängen auch bei Pflanzen zusammen und stehen bei vielen
Botanikern seit Jahren im Mittelpunkt des Interesses."
(… was
[mal abgesehen von einigen sperrigen Fachbegriffen wie z.B. „Propriozeption“, „Vestibulum“ und "Otholiten"]
wunderbar einfach erklärt ist - und doch noch durch Grafiken und Modelle [s.u.] verbessert werden müsste;
Im Folgenden interessiert mich an dem langen Zitat hier vorerst nur die rote Textpassage
"Neben den Innenohrstrukturen, die für das Hören notwendig sind, liegt ein komplexes System von sehr kleinen Kammern, die man Bogengänge und Vestibulum nennt und die zusammenarbeiten, um die Position des Kopfes fühlbar zu machen. Die drei Bögen liegen im rechten Winkel zueinander und bilden eine Struktur, die einer dreidimensionalen Brezel ähnelt."
und da erstmal nur
"Die drei Bögen liegen im rechten Winkel zueinander".
Deutlicher wird das, wenn wir die Grafik mathematisch idealisieren und dann die Ebenen einzeichnen, in denen die drei Kringel liegen:
Zusammen
oder kurz
.
Wenn wir da nun aber die Schnittgeraden der Ebenen markieren, erhalten wir endlich das „Koordinatensystem im Kopf“:
Damit aber zur grünen Textpassage
"Ihre Gänge sind mit Flüssigkeit gefüllt. Wenn wir die Position unseres Kopfes ändern, bewegt sich diese Flüssigkeit. Sensorische Nerven an der Basis eines jeden Gangs werden durch die Bewegungen der Flüssigkeit stimuliert, und da die Gänge in drei verschiedenen Ebenen angeordnet sind, können sie auf Bewegungen in allen drei räumlichen Dimensionen reagieren. Auch das Vestibulum ist mit Flüssigkeit gefüllt und enthält sowohl Haarzellen als auch Otolithen (Ohrsteine), winzige kristalline Steinchen, die als Reaktion auf die Schwerkraft nach unten sinken und dadurch zusätzlichen Druck auf die Haarzellen im Vestibulum ausüben (und sie somit stimulieren)."
Hier wählen wir als „ultimative Veranschaulichung“ ein dreidimensionales Modell, in dem kleine Kugeln die „kristalline[n] Steinchen“ darstellen:
und haben damit ein fertiges Modell des "Koordinatensystems im Kopf".
Nun aber zum Modell in Aktion, was hier zwecks Überschaubarkeit nur anhand von gezeigt sei.
Deshalb sei hier immer fest "montiert" in Kopf gezeigt.
die rote Kugel liegt nun bei 45 Grad , der Kopf wurde also um 45 Grad nach (von dem Menschen aus gesehen) links gekippt;
die rote Kugel liegt nun bei 45 Grad , der Kopf wurde also um 45 Grad nach (von dem Menschen aus gesehen) rechts gekippt.
Der Mensch kann also
(solange die Bewegungen des Kopfes nicht allzu kompliziert werden)
mit alle Rechts-/Links-Bewegungen erfassen, und zwar
Und
hätten sie es sich am „Koordinatensystem im Kopf“ abschauen können.
PS: |
wenn oben in "Während unsere anderen Sinne nach außen orientiert sind, damit wir Signale wie Licht, Geruch und Geräusche von externen Quellen wahrnehmen können, liefert uns die Propriozeption ausschließlich Informationen, die auf dem inneren Zustand des Körpers beruhen." auch gemeint ist, so halte ich die Aussage für partiell falsch, denn nimmt sehr wohl auch die Außenwelt wahr, und zwar die Schwerkraft.
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PPS: |
vgl. auch |