oder Asymptoten / Ableitung
Vornehmstes Ziel meiner Internetseiten ist, zentrale mathematische Ideen "erlebbar" zu machen, d.h. mit
AnSCHAUung,
"archetypischen" Ordnungsmustern
(vgl.
Bewegungen
gegebenenfalls Akustik
und am allerbesten mit echten "körperlichen" Erlebnissen
zu verbinden.
Dabei sind mir durchaus bewusst.
Vielleicht ist "Anschauung auf Teufel komm raus" auch nur für den Anfänger wichtig - und muss man später bereit und fähig sein, von ihr Abschied zu nehmen und abstrakt zu denken
(vielleicht ergibt sich dann aber auch eine ganz andere "Anschauung", nämlich beispielsweise ein Gespür für die Schönheit von Gleichungen; vgl. etwa ).
Dennoch vermute ich ganz leise, dass auch und gerade große Wissenschaftler
(im Gegensatz zu den Rechenknecht-Epigonen)
in der Lage waren, sich komplexe Sachverhalte zu veranschaulichen, also nicht bloß abstrakt zu bleiben. Eine der berühmtesten Veranschaulichungen war da etwa die Frage, die sich bereits der 16jährige Einstein gestellt hat und die erkenntnisleitend für seine gesamte Relativitätstheorie wurde: "Wie wäre es, wenn ich auf einem Lichtstrahl reiten würde?"
Ein schönes Beispiel für Abstraktheit sind abgenagte mathematische Funktionsgraphen wie z.B. beim Tangens:
EinE "richtigeR" MathematikerIn sieht da natürlich gleich Entscheidendes, nämlich
die Periodizität,
die Punktsymmetrie der einzelnen "äste",
das asymptotische Verhalten.
Bleiben wir probeweise bei 3.: unserE richtigeR MathematikerIn sieht da etwas (in die Zeichnung hinein), was so eben nicht vorhanden ist, nämlich (eine) Asymptote(n):
Und unserE richtigeR MathematikerIn hat auch ein Verständnis dafür, was bei diesen Asymptoten passiert, nämlich,
dass die äste in der Nähe der Asymptoten immer steiler und steiler, also auf die Dauer unendlich steil werden, aber - und das ist das Entscheidende: für einen Anfänger geradezu paradox - nie senkrecht
(dann läge ja zudem keine Funktion mehr vor!),
dass die äste sich unendlich nah an die Asymptoten schmiegen, ihnen also beliebig nah kommen, sie aber dennoch - wieder: ziemlich paradox - nie berühren oder gar schneiden,
dass bei den Asymptoten nicht bloß - arg abstrakt - Definitionslücken vorliegen, sondern die Funktion dort einen regelrechten Aussetzer (Division durch Null!) hat, den ich - um mit der Veranschaulichung schon mal anzufangen - glatt mal als Herzinfarkt bezeichne: dass da bei den Definitionslücken Katastrophales passiert, muss man regelrecht schmerzhaft spüren!
Nun sind die MathematikerInnen allerdings ganz schlau und nehmen die neuralgischen Punkte einfach aus dem Definitionsbereich heraus, d.h. sie leugnen jeden Herzinfarkt bzw. leben so gesund, dass ein Herzinfarkt ausgeschlossen ist. Und dennoch passiert an diesen Herzinfarktsstellen (auch "Singularitäten" genannt) bzw. in ihrer direkten Nähe oftmals besonders Interessantes (vgl. etwa "schwarze Löcher" in der Astronomie).
Wie nun aber kann man SchülerInnen im o.g. vielfachen Sinne veranschaulichen, was da in der Nähe der Asymptoten passiert?:
Ein entscheidender Nachteil scheint mir bereits zu sein, dass der Graph fertig bzw. vollständig ist, sich also nicht entwickelt - weshalb ich meinen SchülerInnen immer vorschlage, Funktionsgraphen grundsätzlich als Bergwanderungen (am besten im Nebel, so dass man noch nicht weiß, was auf einen zukommt) zu verstehen.
Dann müsste ihnen klar werden, dass der Weg immer beschwerlicher, steiler sowie zwar nie senkrecht (oder gar überhängend), aber auf die Dauer doch lebensgefährlich wird (ohne entsprechende Bergsteigerausrüstung eh nicht mehr zu bewältigen ist: ).
Das glatte Gegenteil von "im Landeanflug", nämlich ein immer steiler werdender Flug himmelan:
Das Flugzeug fliegt immer steiler und steiler, die Motoren heulen zunehmend infernalisch, das Flugzeug wird wegen nachlassender Kraft immer langsamer und läuft Gefahr, rückwärts nach unten zu fallen - aber es fliegt nie senkrecht, da es dann keine Luft mehr unter den Flügeln hätte und der Propeller allein nicht reicht, es hochzuziehen.
Für das Flugzeug habe ich mit gutem Grund einen sogenannten "Sturzkampfbomber" gewählt, und jetzt schauen wir uns mal an, wie er - und zwar beim Cotangens - zu seiner eigentlichen Bestimmung, nämlich dem Sturzflug, übergeht:
"Der Name [»Sturzkampfbomber«] rührt aus der Art und Weise her, wie Angriffe auf feindliche Ziele stattfanden. Im Sturzflug von 70°-90° Grad Neigung aus üblicherweise mehreren tausend Metern Höhe stürzten sich diese Flugzeuge auf ihre Ziele herab, dabei wurde quasi mit dem Sturzkampfflugzeug selbst das Ziel anvisiert. Dadurch konnten die Bomben vergleichsweise zielgenau abgeworfen werden.
Die Geschwindigkeit des Sturzfluges wurde durch spezielle Bremsklappen reduziert, damit die Wendigkeit der Maschine erhalten blieb und die Piloten auch sich bewegende Ziele im Visier halten konnten. Etwa tausend Meter über dem Ziel wurde dann die Bombenladung abgeworfen und die Maschine bis etwa 500 m über dem Boden abgefangen. [...] Dieser Teil war der gefährlichste, weil er körperlich durch die starke Beschleunigung am belastendsten war. Es wird berichtet, dass manche Piloten für Sekunden in Ohnmacht fielen. Um daraus resultierende Unfälle zu vermeiden, waren die Flugzeuge mit einer Abfangautomatik ausgestattet. Zusammen mit dem Bombenwurf wurden die Bremsklappen eingefahren, und das Höhenruder nahm eine voreingestellte Position ein. Die Maschine beendete so auch ohne Zutun des Piloten den Sturzflug."
(zitiert nach )
Damit das Beispiel mathematisch tauglich wird, verändern wir eine Kleinigkeit: um die Piloten ein wenig zu schonen, schließen wir aus, was in dem Zitat noch als möglich angegeben wird, nämlich einen senkrechten Sturzflug ("900"):
das Flugzeug fällt also immer steiler und steiler, wird dabei - schon allein durch den fast freien Fall - immer schneller und schneller, der Pilot wird fast ohnmächtig, das typische grauenhafte Heulen setzt ein
(vgl. "Die Junkers JU 87 Stuka hatte ein m.W. so genanntes »Jericho [!] Gerät« unter dem Rumpf, welches beim Angriff dieses typische Heulen verursachte." "Das Gerät nannte sich »Jericho-Trompete« und es handelte sich dabei um eine normale mechanische Sirene, die Lautstärken bis 130dB erzeugen konnte. Sinn daran war es, das eh schon bedrohliche Geräusch, welches aufgrund der Luftströmungen beim Sturzflug entstand, quasi zu verstärken und damit auch die psychologische Wirkung auf den Gegner enorm zu erhöhen."
zitiert nach )
- aber das Flugzeug fliegt nie senkrecht nach unten.
Nebenbei: um hinterher möglichst unbeschadet durch die feindliche Flugabwehr von dannen zu kommen, musste der Pilot direkt nach Ausklinken der Bomben wieder möglichst steil nach oben fliegen (s.o. beim Tangens).
Man kann sich streiten, ob man die Faszination des Grauens derart für mathematische Anschaulichkeit fleddern darf - aber das nenne ich Eindrücklichkeit!
Dafür verspreche ich aber, dass das Folgende ein bisschen harmloser wird:
Schauen wir uns nun den Fall an, dass die x-Achse die Asymptote ist, also etwa
Da das Verhalten solcher Funktionen durch einen Landeanflug illustriert werden soll und Funktionsgraphen immer von links nach rechts "gegangen" werden, landet unser Flugzeug auch dementsprechend von links nach rechts:
Hier wird schon deutlich, wie solch eine Landung von Statten geht:
Ich vermute mal, dass es zwei Gründe für dieses "Nase hoch" gibt:
- weil die somit nach vorne-oben angewinkelten Tragflächen den Schub bremsen und damit das Flugzeug verlangsamen
(zudem werden bei der Landung ja immer noch zusätzliche Bremsklappen aus den Flügeln ausgefahren),
- weil das Flugzeug sich regelrecht überschlagen könnte, wenn es mit dem (zudem sehr kleinen und also wenig stabilen) Bugfahrwerk zuerst aufsetzen würde.
Letzteres ist natürlich der entscheidende Unterschied zwischen dem Landeanflug-Modell und der Hyperbelfunktion:
- das Flugzeug setzt beim Landeanflug irgendwann tatsächlich auf der Landebahn auf, berührt diese also
(und dann klatschen vor allem Touristen regelmäßig aus Erleichterung und wohl auch Dankbarkeit für solch ein Können; und nur abgebrühte Business-Leute lässt solch ein Wunder kalt),
- während die Hyperbelfunktion zwar immer näher an die Asymptote heran kommt, sie aber niemals erreicht.
Und dennoch ist das asymptotische Verhalten - und darum vor allem geht´s mir hier! - im Flugzeug durchaus spürbar:
man fühlt beim Landeanflug regelrecht körperlich:
"so ein Landeanflug dauert ewig, beginnt nämlich beispielsweise schon über Kassel, wenn in Düsseldorf gelandet werden soll ... ... ... jetzt ist das Flugzeug schon fast dran (der Pilot wird doch hoffentlich die Räder ausgefahren haben) - und jetzt noch näher - und jetzt berührt es die Landebahn - und doch noch nicht - und jetzt kommt es noch näher - berührt es schon? - nein, es geht noch ein wenig tiefer - und jetzt müsste es eigentlich aufsetzen - aber noch immer nicht - es geht (kaum spürbar) doch noch ein wenig tiefer - und hat es jetzt aufgesetzt? (es war nichts zu spüren) - ja, die Erde hat uns wieder, man spürt das Geruckel auf der Landebahn und auch die Nase geht runter und nun berührt auch das Bugrad die Landebahn - und jetzt heulen die Düsen für den Gegenschub auf und bremst das Flugzeug ganz gewaltig (hoffentlich noch vor Ende der Landebahn)!"
Oder im Film:
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Ein ganz ähnliches Problem ist die Herleitung der Ableitung durch Annäherung der Tangente in einem Punkt mittels Sekanten
(mathematisch exakt - und für Laien vollends um die Ecke gedacht - wird die Tangente allerdings überhaupt erst als Limes der Sekanten definiert, entsteht sie also überhaupt erst als Grenzwert der Sekantenannäherung; oder anders gesagt: in der Mathematik existiert nichts, ohne dass es [evtl. höchst umständlich] konstruierbar ist):
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(Eigentlich wäre es bei dieser wie allen folgenden Animationen enorm wichtig, dass sie nicht so abgehackt wie hier, sondern kontinuierlich verliefen, weil nur so der sukzessiv-stetige Limesprozess deutlich würde. Aber ich habe weder Zeit noch Lust, das zu programmieren, und deshalb muss hier die Andeutung des Prinzips reichen.)
Auch das bleibt wieder arg abstrakt - während ich es mir als einen Raumsondenflug beispielsweise zum Saturn vorstelle:
Und dann sieht das "Sekantenproblem" für mich so aus:
Es ist, als starre die Weltraumsonde während ihres ganzen Flugs gebannt ihr Ziel, nämlich den Saturn, an, als wisse sie also, wohin sie will bzw. soll.
Ebenso interessant finde ich aber die Modellierung des "Tangentenproblems" durch einen Raumsondenflug:
Hier sieht es so aus, als wenn die Weltraumsonde hochkonzentriert immer nur geradeaus starre und erst ganz am Ende ihr Ziel sehe. Es scheint also, als wisse sie lange nicht, wohin sie eigentlich geschossen wurde.
Dabei ist die Vermenschlichung der Raumsonde ja keineswegs so "daneben", wie es auf den ersten Blick scheinen mag: