was ist Zufall?

 

"Das, wobei unser Rechnungen versagen, nennen wir Zufall."
(Albert Einstein)


"Je älter man wird, desto mehr überzeugt man sich davon, daß Seine geheiligte Majestät der Zufall drei Viertel aller Geschäfte dieses armseligen Universums besorgt."
(Friedrich der Große)


"Als Zufall bezeichnen wir üblicherweise alles, was nicht notwendigerweise oder beabsichtigt geschieht bzw. das Zusammentreffen von nicht absehbaren Ereignissen. So betrachtet ist der Zufall eigentlich ein Feind der exakten Wissenschaft, die ja meist darauf ausgerichtet ist, Kausalitätsketten zu erkennen. In den experimentellen Naturwissenschaften versucht man deshalb oft Zufallsergebnisse durch aufwendige statistische Verfahren zu erfassen und aus der Betrachtung auszuschließen. Dementsprechend kommt der Begriff »Zufall« vor allem in mathematisch orientierten Wortkombinationen vor wie z. B. Zufallsgröße, Zufallskurve, Zufallsstichprobe. Sie alle haben einen unangenehmen Beigeschmack von Unsicherheit, Unklarheit und Unzuverlässigkeit.
Leider gibt es im Deutschen kein Wort, mit dem man die zweifellos auch vorhandenen positiven Aspekte des Zufalls im Zusammenhang mit Erkenntnisgewinn zum Ausdruck bringen kann. Im englischen Sprachraum findet sich für diesen Zweck das Wort »serendipity«. Es ist allerdings nicht sehr gebräuchlich, weshalb es in manchen Wörterbüchern gar nicht vorkommt. Das Wort »serendipity« geht auf den bekannten englischen Schriftsteller Horace Walpole zurück, der es in einem Brief an seinen amerikanischen Freund Sir Horace Mann schon im Jahr 1754 erstmals verwendete. Walpole hatte gerade das alte persische Märchen >Die drei Prinzen aus Serendip< gelesen. Serendip ist eine alte, aus dem Arabischen stammende Bezeichnung für Ceylon bzw. für das heutige Sri Lanka. Dort entdeckten die drei Königskinder durch eine Kombination aus Zufall und Scharfsinn viele Dinge, die sie gar nicht gesucht hatten."
(Heinrich Zankl)

Vielleicht gibt es aber, was Zankl vermisst bzw. nur im englischen "serendipity" erkennt,  doch auch im Deutschen

(man muss nur öfter auf die Wörter hören!):

 

Die fast schon trotzige Betonung, dass Glück "doch" kein Zufall sei, baut ja wohl darauf auf, dass meist das Gegenteil behauptet wird, nämlich dass Glück nur Zufall sei.

Und in der Tat sagt man ja "etwas ist ihm zugefallen" nur, wenn dieses etwas positiv ist.

(Und "zugefallen" heißt "nicht verdient", " nicht erarbeitet" ...).

Und entsprechend gibt es die stehende Wendung "glücklicher Zufall", aber nicht "trauriger Zufall".

Zufall: Das seit mhd. Zeit bezeugte Wort ist eine Bildung zum Verb zufallen "zuteil werden" (mhd. zuovallen).
© Duden

Erik Fosnes Hansen: Momente der Geborgenheit 

darin: S. 141ff

aus einem Manuskript der Figur Wilhelm Bolt:

Was also ist Serialität? Sie läßt sich als das Gegenteil von Kausalität definieren. In seinem fast vergessenen Werk Das Gesetz der Serie schreibt Paul Kammerer zu dem Begriff:
»Eine >Serie< manifestiert sich als gesetzmäßige Wiederholung oder zeitliche und räumliche Häufung von denselben oder ähnlichen Dingen oder Ereignissen, auch wenn die einzelnen Ereignisse oder Elemente der Serie - soweit bei genauer Analyse feststellbar - nicht durch dieselbe aktive Ursache verbunden sind.« So also lautet Kammerers Definition vom »Gesetz der Serie«. Jung nennt es anders, »Synchronizität« 1 , und gibt in seinem Essay über das akausale Verknüpfungsprinzip eine ähnliche Definition:
»Synchronizität ist das zeitliche Zusammenfallen von zwei oder mehr kausal unverbundenen Ereignissen mit derselben oder einer ähnlichen Bedeutung.«
[...]
Jedes Ereignis ist im Prinzip absolut unwahrscheinlich. Sogar die Existenz der Welt liegt außerhalb des Erwartbaren, ja, selbst die Tatsache, daß wir leben, stellt eine extrem zufällige Laune im universellen Ozean von Molekularverbindungen dar.
[...]
... Mit anderen Worten, es geht um unwahrscheinliche Zufälle. Um »Seltsames«. Um das offenkundig sinnhafte Zusammentreffen von Dingen, zwischen denen kein kausaler - ursächlicher - Zusammenhang besteht.
Einem jeden, der schon einmal am Spieltisch gesessen hat, wird aufgefallen sein, daß Glück und Pech schubweise auftreten. Spieler sprechen von »guten« oder »schlechten« Tagen; übrigens nicht nur Spieler. Wir alle denken in solchen Kategorien. Und bisweilen ist es so, als würden sich die Ereignisse regelrecht gegen uns verschwören. »Seltsames« geschieht, Dinge, die unseren Erwartungen zuwiderlaufen.
Wenden wir uns dem Begriff »Zufall« etwas genauer zu: Wirft man eine Münze und erhält neunzehn Mal hintereinander »Kopf«, so werden die meisten annehmen, die Chance, beim zwanzigsten Mal »Zahl« zu werfen, sei ausgesprochen hoch.

[Ich (H. St.) frage mich allerdings, ob Bolts bzw. Hansens Vermutung hier richtig bzw. naheliegend ist:

  1. könnte doch langsam auch dem Laien der Verdacht kommen, dass die Münze "gezinkt" ist; ein Verdacht, der ja keineswegs stimmen muss.

  2. Muss man MathematikerIn sein, um - ebenfalls falsch - zu vermuten, dass gerade wegen des Gesetzes der großen Zahlen möglichst bald ein Ausgleich kommen muss, also die Wahrscheinlichkeit, dass beim zwanzigsten Wurf "Zahl" (also nicht mehr "Kopf") erscheint, besonders hoch ist?]

Gleichwohl steht die Chance, daß auch das zwanzigste Mal »Kopf« geworfen wird, nach wie vor eins zu eins. Bei einer sehr großen Menge von Würfen, sagen wir einmal zehntausend, wird sich die Anzahl von »Kopf« und »Zahl« allerdings angleichen und jeweils bei rund fünftausend liegen. Dies ist das sogenannte »Gesetz der großen Zahlen«, die Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung, also die Beschäftigung mit der Vorhersagbarkeit von Ereignissen, findet gemeinsam mit der Statistik in fast allen Wissenschaftsbereichen Verwendung, von der Kernphysik bis zur Soziologie.
Und doch läßt sich mit gutem Grund vom Paradoxon der Wahrscheinlichkeit reden. Beim Roulette kann die Kugel bekanntlich auf einer roten oder einer schwarzen Zahl landen, auf Rouge oder Noir, entsprechend Kopf und Zahl bei der Münze. Die längste zusammenhängende Rouge-Serie wurde in Monte Carlo registriert; sie betrug 28. Der 28. Versuch ist vom 27. kausal unabhängig, ebenso wie der 29. vom 28. Stets bleibt die Wahrscheinlichkeit, daß wiederum Rouge kommt, eins zu eins. Dennoch gleicht sich der Unterschied in der Anzahl von Rouge und Noir mit der Zeit aus. Das Paradoxon besteht also darin, daß voneinander eigentlich unabhängige Ereignisse dennoch einer Gesetzmäßigkeit zu gehorchen scheinen.
Mehrere Sommer hindurch zählte ich Bienenstiche. Jedesmal, wenn mein Assistent oder ich gestochen wurden, notierte ich es. In einem gewöhnlichen Sommer wurden wir je 12- bis 15mal gestochen. Nie öfter, nie seltener. Schließlich konnte ich mit Sicherheit berechnen, wie oft ich im nächsten Sommer gestochen würde.
Ein weiteres Beispiel ist die Hundebiß-Statistik von New York City. 1955 wurden den städtischen Gesundheitsämtern pro Tag durchschnittlich 75,3 Verletzungen durch Hundebisse gemeldet. Im Folgejahr betrug der Tagesdurchschnitt 73,6 Hundebisse, 1957 73,2, 1959 72,6. Wie man sieht, ist die Zahl weitgehend konstant, genau wie bei den Bienenstichen. Die Anzahl der Hundebisse des folgenden Jahres kann demnach mit einiger Genauigkeit vorhergesagt werden. Jeder einzelne Biß jedoch ist von den rund 75 anderen Hundebissen des gleichen Tages kausal unabhängig. Jeder ist ein Einzelereignis, ein Unfall für sich, ein kompliziertes Gefüge von Umständen und Zufällen, die unter höchst unterschiedlichen Bedingungen auftreten und auf höchst unterschiedliche Weise in das Leben der einzelnen Betroffenen eingreifen. Ein alter Friseur, der nie in seinem Leben von einem Hund gebissen wurde und es auch hernach nie wieder wird erleben müssen, bekommt in seinem Salon Besuch von einem bissigen Schäferhund; ein wohlerzogenes Schoßhündchen von der Upper West Side, das nie einen Postboten gesehen oder eine Menschenseele gebissen hat, fällt einer plötzlichen Eingebung folgend die Zugehfrau an, und diese Individuen werden unvermittelt zu Einzelposten in der vorhersagbaren Statistik. Man sollte meinen, daß es unmöglich ist, eine so große Anzahl von komplizierten Einzelereignissen vorherzusehen, doch das trifft eben nicht zu. Seltsamerweise sammeln sich einzeln betrachtet unberechenbare Umstände zu einem berechenbaren Durchschnitt.
Woher wissen nun die New Yorker Hunde, daß sie die tägliche Bißquote erfüllt haben? Woher wissen die Bienen im Stock, daß sie mich und meinen Assistenten in diesem Sommer oft genug gestochen haben?
[...]
Die vielen kleinen Zufälle gleichen einander aus, und so meint man, etwas erklärt zu haben. Das Paradoxon des Zufalls ist damit aber noch lange nicht »verstanden«. Wir erkennen diese Gesetzmäßigkeiten, können ihnen aber nicht auf den Grund gehen. Am seltsamsten ist es, wenn Zufälle gehäuft auftreten, wenn sie also drastisch vom durchschnittlich zu Erwartenden abweichen. Prinzipiell gesehen ist aber auch der seltsamste Zufall nicht mehr oder weniger seltsam als alles andere, was geschieht. Er ist vielleicht exzentrischer als der Rest, aber durchaus nicht unerklärlich.


Im folgenden wollen wir uns auf eine andere, eher biographische Betrachtungsweise der Serialität nähern. Die Ereignisse in meinem Leben ließen mich früh darauf aufmerksam werden, daß bestimmten Menschen auch bestimmte Erlebnisse zufallen. Die einen werden offenbar immer wieder Zeugen von schweren Unfällen, andere schreiten durchs Leben, ohne auch nur jemanden vom Fahrrad fallen zu sehen. Wieder andere erleben andauernd Katastrophen, sitzen bei Autounfällen stets auf dem Beifahrersitz, bekommen bei Tauwetter unweigerlich Dachlawinen ab und so weiter. Manche retten ständig anderen das Leben, andere müssen immer wieder gerettet werden. Manche Menschen gewinnen unablässig im Lotto, bei Kreuzworträtseln oder Preisausschreiben, andere gewinnen nie, nicht mal einen Trostpreis. Manche sind Pechvögel, andere scheinen die reinsten Glückspilze zu sein. Manchen gelingt alles; sie haben den richtigen »Riecher«, wie man sagt. Es gibt zahlreiche Berichte von Wissenschaftlern oder Künstlern, die an einem größeren Projekt arbeiten und denen plötzlich, durch reinen Zufall, Informationen oder Hinweise zufallen, die ihre Arbeit entscheidend voranbringen; auf einmal scheint von überall her Hilfe zu kommen, unaufgefordert, ohne das Dazutun der Glücklichen, aus Büchern und Zeitungen, Briefen oder Gesprächen, derart massiv, daß man einfach nicht mehr von »Wahrscheinlichkeit« reden kann.2
Die Ereignisse, die Zufälle scheinen sich zu häufen, weit mehr, als erwartbar gewesen wäre.
[...]
Die Wissenschaftstheoretiker standen lange auf dem Standpunkt, eine wissenschaftliche Ursachenerforschung lasse auch präzise Vorhersagen zu. Eine experimentelle Situation ist aber allermeist eindimensional, eingeschränkt. Die Wirklichkeit funktioniert im Vergleich dazu anders, denn jene hunderttausend kleinen Zufälle und unkontrollierbaren Einflußgrößen haben entscheidende Bedeutung für das Ergebnis eines Prozesses. Die wissenschaftlichen Prognosen für den Lauf der Wirklichkeit können immer nur Näherungswerte von begrenzter Gültigkeit liefern. Die jüngste Forschung auf diesem Gebiet operiert mit einem »Chaos-Koeffizienten«. Sowohl auf diesem Forschungsgebiet als auch in der Quantentheorie ist davon die Rede, daß die Natur selbst einen ihr innewohnenden Freiheitsspielraum besitzt.

Wie ist es also zu werten, wenn Prozesse in der Wirklichkeit sich jenseits aller Vorhersagbarkeit entwickeln? Dann stellt sich die Frage, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der unerklärlichen Verkettung von Zufällen und dem Leben des Einzelnen.
In früheren Zeiten sprach man von »Schicksal«; man galt als unter einem glücklichen oder weniger glücklichen Stern geboren. Heute heißt es nicht mehr Schicksal, sondern Zufall. Das mag zwar wissenschaftlicher klingen, aber in Wahrheit erklärt das nicht viel mehr, und es bleibt die Frage, ob wir das, worüber wir da reden, ganz begriffen haben.
In Wahrheit sind beide Wörter, »Zufall« ebensogut wie »Schicksal«, Bezeichnungen für etwas, das wir nicht begreifen; unerklärlich bleibt nämlich, wovon es abhängt, daß überhaupt etwas geschieht.
[...]
. . . unerklärlich bleibt nämlich, daß überhaupt etwas geschieht. Dieses daß ist absolut außergewöhnlich, da alles ebensogut und ebenso wahrscheinlich nicht geschehen könnte. Daß es Bienen gibt, Wasser, Sterne, Sprache, wo es alles das ebensogut nicht geben könnte, ja, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben dürfte. Oder, um es etwas anschaulicher zu sagen: Wir pflegen über die Straße zu gehen, ohne dabei überfahren zu werden. Ist das Unglück aber passiert, reden wir von einer Verkettung unglücklicher Zufälle. Kommen wir bei einer Katastrophe auf wundersame Weise davon, sagen wir, der Zufall sei auf unserer Seite gewesen, die tausend winzigen Wechselwirkungen von Ursache und Wirkung. Nur sagt das Wort »Zufall« letztlich überhaupt nicht mehr aus als früher der Begriff »Schicksal«. Ein Geschehen findet statt, auf Kosten all dessen, was hätte stattfinden können. Was ist mit den Myriaden von Prozessen, die auf diese Weise rein theoretisch bleiben? Unablässig werden wir vor dem Untergang bewahrt und leben weiter.
[...]
Besonders interessant wird es, wenn Ereignisse nicht nur im höchsten Grad unwahrscheinlich sind, sondern auch noch sinnvoll wirken, sich mit fast erschreckender Klarheit lesen und deuten zu lassen scheinen. Oft handelt es sich dabei um eigenartige, unterhaltsame oder unheimliche Erlebnisse, die auf uns nicht »real«, sondern eher wie »erfunden« wirken. Würde man sie in einem Roman verwenden, so würde ein Leser sie als unglaubwürdig ablehnen; ganz egal, wie wahr sie sind, würde er sagen: So etwas passiert in Wirklichkeit doch nie und nimmer!
Wie bereits gesagt: Im Prinzip ist jedes Ereignis unwahrscheinlich. Doch je mehr es der Vorhersehbarkeit widerspricht, desto mehr fällt es ins Auge. Aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen können wir das Wie eines solchen Ereignisses immer als Abweichung erkennen, als einen Ausschlag nach rechts oder links von der Gaußschen Kurve.
Die Wissenschaft untersucht abgegrenzte, kontrollierte Situationen mit Würfelversuchen oder mit Hilfe der Statistik. Da nun viele jener exzentrischen, unwahrscheinlichen Einzelereignisse mit unserem Erleben von Biographie und von Bedeutung offenbar innig verbunden sind, scheint es nahehegend, nach dem Warum dieser Ereignisse zu fragen.
Die Antwort muß durchaus nicht zwingend dahin führen, irgendeine Art göttlicher Vorsehung zu postulieren. Was wir hier zu beweisen versuchen, ist, daß es ein zugrundeliegendes Etwas gibt, ein universell wirksames Prinzip der biographischen Zufälle, das bei manchen Menschen deutlicher, bei anderen weniger deutlich zutage tritt.
Daß und wie etwas Seltsames geschieht, kann die Wissenschaft stets als mathematische Abweichung erklären, doch läßt sich auch etwas über das Warum sagen? Ist es überhaupt möglich, nach diesem Warum zu fragen?
Unser Universum ist ein Ozean einzelner, zufälliger Molekularverbindungen, in dem ununterbrochen das Gesetz der großen Zahlen und die Gesetzmäßigkeit des Zufalls wirksam sind. Wirken in diesem Ozean vielleicht auch noch andere Kräfte? Gibt es auch Haie? Gibt es Strömungen und Kraftfelder, die wir bislang nicht kartographieren konnten, weil sie sich nicht in wissenschaftliche Versuchsanordnungen zwängen lassen?
Nach dem Warum zu fragen, gilt als unwissenschaftlich. Die Wissenschaft hat sich selbst außerstande erklärt, derlei unreproduzierbare Situationen zu erforschen.
Wie soll man also versuchen, sie einzufangen, ihrem Charakter näherzukommen, ohne in Mystizismus zu verfallen?
Ich für meinen Teil habe keine Würfelversuche unternommen; ebensowenig habe ich (wie manche Pioniere es taten) zufällig an einer Parkbank vorüberkommende Passanten oder diejenigen, die sich in der Straßenbahn neben mich setzen, gezählt und nach Geschlechtszugehörigkeit, Kleidung oder Alter sortiert. Ich habe konkrete Berichte gesammelt, Berichte, in denen es um außergewöhnliche Abweichungen vom Normalen geht, einzelne Schilderungen von Verkettungen merkwürdiger Umstände und ausgesprochener Unwahrscheinlichkeiten, Berichte von Verkettungen, die konkret und entscheidend auf die Biographien einer oder mehrerer Menschen einwirkten.
[...]

Vorläufig läßt mein Material keinen weiteren Schluß zu als den, daß im Universum neben dem kausalen Prinzip ganz offenbar auch ein akausales Prinzip wirksam ist, welches Einheit und Aufbau anstrebt.3
[...]

Meiner Ansicht nach ist dies das Feld, auf dem wir einer neuen Verbindung zwischen dem menschlichen Leben und Erleben auf der einen und dem theoretisch-naturwissenschaftlichen Denken auf der anderen Seite am nächsten kommen. Anders gesagt: Meine Vision - und vielleicht mein Unglück - hat darin bestanden, daß ich eine Brücke zwischen Mensch und Wissenschaft erahnte, zwischen Biographie und Universum, zwischen subjektivem und objektivem Erkennen.4
[...]


1. vgl. z.B. auch:

  

Ernst Peter Fischer: An den Grenzen des Denkens; Wolfgang Pauli - Ein Nobelpreisträger über die Nachtseiten der Wissenschaft; Herder

2. Was hier allerdings vergessen wird, sind subjektive Wahrnehmungen (dass man sich beispielsweise oftmals besser an das Schlechte als an das Gute erinnert) und sogenannte "selbsterfüllende Prophezeiungen": vgl. etwa jenen Mann in New York, der 70 mal in seinem Leben überfallen wurde: er wirkte (wohl aufgrund vorhergehender schlechter Erfahrungen aus der Serie) nicht nur sehr unsicher, lud also fast schon zum Überfall ein bzw. erschien ggf. als geeignetes Opfer, sondern begab sich auch systematisch (fast schon masochistisch) in potentiell gefährliche Situationen.
3. Nicht dass ich an sowas glaube. Aber die allzu ungläubigen Thomasse seien  doch darauf hingewiesen, dass bis zu Newton kein Mensch daran gedacht hat, dass es sowas wie Schwerkraft geben könnte; oder dass die Physiker heute schon wieder von "dunkler Materie" und neuerdings "dunkler Energie" reden, wobei höchstens erstere wortwörtlich dunkel, also nicht sichtbar ist, spätestens im zweiten Fall "dunkel" aber nur noch metaphorisch gemeint ist, nämlich "unbekannt" bedeutet (was sie ist; nicht ihre Wirkungen).
4. vgl. z.B. auch:

      

Thomas Görnitz: Quanten sind anders; Die verborgene Einheit der Welt; Mit einem Vorwort von Carl Friedrich von Weizsäcker; Spektrum

darin S. 14ff

»Die Quantenphysik

[die ja zentral auf der Wahrscheinlichkeit aufbaut, ja diese überhaupt erst als Konstruktionsprinzip der Welt zeigt]

charakterisiere ich als eine Physik der Beziehungen, der Beziehungen zwischen Individuen und innerhalb von Ganzheiten. Die Quantentheorie steht somit den Erfahrungen unseres alltäglichen Lebens mit seinen Beziehungen und Ambivalenzen um vieles näher als die klassische Physik; sie ist daher keineswegs so fremdartig, wie es oft dargestellt wird.
Die Quantenphysik befaßt sich mit dem Unteilbaren. Unteilbarkeit ist der Sinn des griechischen Wortes Atom und des lateinischen Begriffes Individuum.
Ein Individuum kann nicht einmal gedanklich in Teile zerlegt werden, ohne daß dies schwerwiegende Auswirkungen hätte. Für Biologie, Medizin und Psychologie ist die Unteilbarkeit des lebenden Organismus - eines "Individuums" - selbstverständlich, zerschneiden würde es nicht nur verändern, sondern in seinem Wesen zerstören. An einem zerschnittenen Frosch kann ich sehr wohl dessen Organe studieren, aber das Wesentliche, dieses lebendig gewesene Individuum, ist nicht mehr vorhanden.
Für die Physik war von der Quantentheorie ein solch prinzipieller Aspekt von Unteilbarkeit nur für "punkförmige" Atome denkbar, nicht aber für räumlich ausgedehnte Objekte. Letztere konnten schon wegen ihrer Ausdehnung stets als teilbar gedacht werden.

Die Quantentheorie macht "räumlich ausgedehnte Individuuen" zum Gegenstand einer Theorie in der Physik - ausgedehnte Individuen, bei deren Teilung Wesentliches verändert wird oder verlorengeht.

Dies kann beispielsweise ein einzelnes Atom sein oder ein Molekül. Lediglich solche mikroskopischen Individuen hatte man anfangs als Gegenstände der Quantenphysik verstanden. Heute kennt man auch größere Einheiten, die Quanteneigenschaften zeigen. Auch die Materialeigenschaften von makroskopischen Körpern, zum Beispiel Magnete oder Superleiter, lassen sich erst im Rahmen der Quantentheorie verstehen. Ich vermute, daß auch die grundlegenden Eigenschaften

["grundlegend" heißt dabei eben gerade nicht "alles erklärend"]

biologischer Einheiten oder gar Individuen ebenfalls erst durch diese Theorie verstanden werden können.
Die Quantentheorie ist die erste mathematisch ausgearbeitete holistische Struktur, die wir besitzen.

Der Begriff "holistisch" ist dabei in dem Sinne zu verstehen, daß ein Ganzes mehr ist als die Summe seiner Teile.

Das erfordert einerseits, daß die mathematische Struktur Teile definieren kann, und andererseits, daß diese Teile nicht einfach additiv zusammengesetzt sind, um das Ganze zu ergeben. Vielmehr erzeugen in einer holistischen Theorie die Teile, die miteinander wechselwirken, ein neues "Individuum", das mehr ist als die bloße Summe seiner Teile.
Wir kennen uns selbst als ausgedehnte Individuen, die, solange sie wach und geistig gesund sind, ein unteilbares Bewußtsein besitzen. Diese "Einheit des Bewußtseins", die uns bei einer Schau in unser Inneres gegenwärtig ist, hat viele Bezüge zum Holismus der Quantentheorie. Das legt die Vermutung nahe, daß wir - durch Vergleiche damit - anschaulichere Modelle für ein Quantenverhalten entwerfen können, aber auch, daß erst durch die Quantentheorie ein tieferes naturwissenschaftliches Verständnis nicht nur der Materie, sondern auch des menschlichen Denkens möglich wird.

[...]

In wissenschaftlichen Diskussionen mit anderen Natur- und Geisteswissenschaftlern, wie zum Beispiel Biologen und Theologen, habe ich den Eindruck gewonnen, daß ein Teil der Verständnisschwierigkeiten zwischen den Wissenschaftlern, die wir uns in unserer heutigen Zivilisation im Grunde genommen nicht mehr gestatten können, aus dem Bild von Naturwissenschaft herrührt, das durch das öffentliche Bildungswesen bisher vermittelt wird.
In manchen Bereichen der Geisteswissenschaften besteht nach meinem Eindruck ein Wahrnehmungsdefizit, wenn es um die natürlichen Strukturen geht, die allem Denken zugrunde liegen und dir durch die biologischen, chemischen und physikalischen Naturwissenschaften erfaßt werden. Und umgekehrt werden Gegenstände, die man geisteswissenschaftlichen Bereichen zuordnen kann, von den Naturwissenschaften unzureichend berücksichtigt. So scheinen mi«1ie sprachlichen und kulturellen Bedingtheiten naturwissenschaftlicher Erkenntnis in den Naturwissenschaften selbst oft nur unzureichend reflektiert zu werden.
Darüher hinaus gilt es auch, einige Vorurteile über die Physik abzubauen, die eines der unbeliebtesten Schulfächer ist und als Studienfach dadurch auffällt, daß das Geschlechterverhältnis der Studierenden besonders unausgeglichen ist. Ich vermute den Grund unter anderem darin, daß das Weltbild der klassischen Physik von unseren persönlichen und sozialen Erfahrungen in einer Weise abweicht, die zu akzeptieren viele Menschen nicht mehr bereit sind.«