kleiner Nachschlag: die Nicht-"Kommensurabilität"
Kom|men|su|ra|bi|li|tät [lat.-nlat.] die; -: Meßbarkeit mit gleichem Maß; Vergleichbarkeit (Math., Phys.); Ggs. Inkommensurabilität "Es fehlt an Vertrauen zwischen uns und den Frauen, |
Manchmal (z.B. schon bei Euklid) wird das Problem der Irrationalität von auch noch anders formuliert.
Kommen wir dazu nochmals auf den Tisch mit der Seitenlänge 1 LE zurück:
In hatten wir gezeigt, dass die simple Diagonale d dieses besonders einfachen Tischs
(Quadrat, einfachste mögliche Seitenlänge)
lang ist, und im folgenden Beweis war klar geworden, dass diese Länge irrational, also äußerst kompliziert ist.
Die Frage nach der "Kommensurabilität" bedeutet nun:
Gibt es eine Längeneinheit e , so dass
als (ganzzahlige!) Vielfache dieser Längeneinheit e dargestellt werden können? Gibt es also ganze Zahlen m und n, so dass
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Das ist mit den drei Unbekannten e, m und n natürlich schon allerfeinstes Fachchinesisch, und deshalb sei das Problem vorweg an zwei einfachen Beispielen klar gemacht:
Egon ist 180 cm und Erwin ist 182,4 cm groß. Gibt es eine Längeneinheit, mit der man beide messen kann?
Ganz einfach ist solch eine Grundeinheit noch bei Egon zu finden, denn er ist offensichtlich 180 · 1 cm groß
Leider ist aber Erwins Größe nicht in (ganzen) Zentimetern ausdrückbar, sondern wir müssen bei ihm zur nächst kleineren Längeneinheit, also Millimetern, greifen - mit der sich dann allerdings auch Egons Größe ausdrücken lässt:
Egons Größe: 180 cm = 1800 · 1 mm
Erwins Größe: 182,4 cm = 1824 · 1 mm
Wir haben als gemeinsame Längeneinheit für Egon und Erwin also 1 mm gefunden, bzw. in diesem Fall ist
e = 1 mm,
m = 1800,
n = 1824.
(Nebenbei: natürlich gibt es auch kleinere gemeinsame Längeneinheiten für Egon und Erwin, nämlich z.B. 1/10 mm:
Egons Größe: 180 cm = 18 000 · 1/10 mm ,
Erwins Größe: 182,4 cm = 18 240 · 1/10 mm .)
Kiste 1 ist 3/4 m und Kiste 2 ist 2/3 m hoch. Gibt es eine Längeneinheit, mit der man beide messen kann?
Für beide Kisten lässt sich nun sehr einfach jeweils ein Grundmaß finden:
3/4 m = 1 · 3/4 m oder 3/4 = 3 · 1/4 m
Bei dieser Kiste 1 ginge das auch ganz einfach in Zentimetern:
3/4 m = 0,75 m = 1 · 0,75 m oder 3/4 m = 0,75 m = 75 · 0,01 m = 75 · 1 mm.
2/3 m = 1 · 2/3 m oder 2/3 = 2 · 1/3 m
Allerdings ergeben sich Probleme, wenn man die Höhe von Kiste 2 im Dezimalsystem ausdrücken möchte:
2/3 m = 0,6 m = 0,6666666666666... m
Da hier in der Dezimalschreibweise unendlich viele Sechsen hinter dem Komma folgen, gibt es keine noch so kleine Einheit (z.B. 0,66), als deren Vielfaches wir 0,6 m = 0,6666666666666... m darstellen können: weder Meter noch Zentimeter noch Millimeter ... reichen.
Bislang ist es uns also gelungen, sowohl 3/4 als auch 2/3 jeweils als Vielfaches einer Grundeinheit darzustellen, nämlich z.B.
3/4 m = 3 · 1/4 m,
2/3 m = 2 · 1/3 m,
aber offensichtlich haben wir mit 1/4 m und 1/3 m verschiedene Grundeinheiten erhalten.
Wenn man sich nun aber mit Brüchen auskennt, weiß man, dass es eine gemeinsame Untereinheit von 1/4 und 1/3 , nämlich 1/12 gibt. Durch Erweitern erhalten wir
3/4 m = 9/12 m = 9 · 1/12 m,
2/3 m = 8/3 m = 8 · 1/12 m.
Wir haben als gemeinsame Längeneinheit für Kiste 1 und Kiste 2 also 1/12 m finden können, bzw. in diesem Fall ist
e = 1/12 m,
m = 9,
n = 8.
Kommen wir damit auf unseren quadratischen Tisch
mit der Seitenlänge 1 und der Diagonalenlänge d = zurück, um dort nach einer gemeinsamen Grundeinheit zu suchen:
keinerlei Probleme ergeben sich bei der Seitenlänge 1, denn sie ist auf unendlich viele Weisen als Vielfaches von Untereinheiten darstellbar, nämlich z.B.
1 = 1 · 1 oder 1 = 10 · 0,1 oder 1 = 100 · 0,01 oder 1 = 1000 · 0,001 .
Schwierig wird´s aber bei der Diagonalenlänge :
da sie (wie im Rahmen des langen Beweises ja gezeigt) irrational ist, ist sie nicht endlich hinterm Komma, ergibt sich also dasselbe Problem wie oben bei 2/3 m = 0,6 m = 0,6666666666666... m;
weil aber als irrationale Zahl auch nicht als Bruch schreibbar ist, kann sie auch nicht Vielfaches eines Bruchs sein: als Grundlängeneinheit kommt also auch (anders als oben bei 3/4 und 2/3 ) kein Bruch in Frage;
einzig mögliche (ganzzahlige) Vielfachendarstellung von sind also
= 1 · oder = 2 · /2 oder = 3 · /3 ...,
wobei oder /2 oder /3 ... alles irrationale Grundeinheiten sind.
Nun ist aber die Seitenlänge 1 nicht als Vielfaches irgendeiner irrationalen Grundeinheit schreibbar, denn 1 kann nur m-faches eines Bruchs 1/m sein, und somit gibt es keine gemeinsame Grundeinheit der Seitenlänge 1 und der Diagonalenlänge .
Man sagt auch:
Die Seitenlänge 1 und die Diagonalenlänge sind "inkommensurabel". Oder anschaulicher gesagt: die beiden werden nie "auf einen Nenner" kommen. Obwohl sie geometrisch so eng zusammen hängen, passen sie rechnerisch zusammen wie der Teufel und das Weihwasser. |