Zahnräder
sind
einfach (und) schön
Die allermeisten Schüler haben in ihrem Leben keinerlei Bezug zu Zahnrädern
(die, wenn überhaupt, tief in den Geräten verborgen sind),
d.h. einen "lebensweltlichen" Anwendungsbezug gibt es für die meisten Schüler nicht.
Bleibt, wenn überhaupt, nur ein anderer interessanter Zugang zu Zahnrädern, nämlich ihre Schönheit.
Dieser Bezug sollte aber ernst
genommen werden,
statt dass Zahnräder nur als vorgeschobener und
zufällig-beliebiger Anlass
dienen, aus ihnen doch wieder nur Mathematik zu destillieren.
Zahnräder
sind
einfach (und) schön kann zweierlei bedeuten:
(wenn sich Schönheit überhaupt begründen lässt);
Zu 1. bzw. 2.b. also der Schönheit von Zahnrädern:
Mir scheint, man sollte darauf in zwei Schritten reagieren:
Johann Wolfgang Goethe: Gefunden
Und
Gott der HERR sprach:
Es ist nicht
gut, dass der Mensch allein sei; ich
will ihm eine Hilfe machen, die ihm
entspricht.
(Bibel, Altes Testament,
1
Moses 23,1)
Ein Zahnrad kommt nie alleine.
Eigentlich ist ein einzelnes Zahnrad so überflüssig wie ein einzelner Schuh:
(es sei denn, man denkt, ein einzelner Schuh ist immer noch besser als gar keiner):
ein Zahnrad
erfüllt seinen Sinn überhaupt erst
im Zusammenspiel mit mindestens einem anderen Zahnrad:
(z.B.
ist
nur eine scheinbare Ausnahme, da von dem Zahnrad zwar ein
Loch
,
nicht aber die Zähne benutzt werden; da hätte man statt
des Zahnrads genauso gut
benutzen können;
nebenbei:
ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig,
bzw. ein Zahnrad erwacht überhaupt erst durch
Drehung
zum Leben:
[vgl. "der tote Gang" in dem
unbedingt empfehlenswerten Jugendroman
:
"Der Tote Gang war der
siebte Mahlgang der Mühle im Koselbruch und befand sich im hinteren Teil der
Mahlstube. In den Neumondnächten mahlten die Mühlknappen dort für den Herrn
Gevatter. Sonst wurde der Gang nie benutzt und darum »Toter Gang«
genannt. Stattdessen benutzten die Mühlknappen die anderen sechs Mahlgänge.
Nach seiner Ankunft vermutete Krabat zunächst, dass etwas am Toten Gang kaputt
war und er deshalb nicht benutzt wurde, aber eines Morgens entdeckte er beim
Ausfegen ein wenig Mehl auf den Bodenbrettern unter dem Auslauf des Toten
Ganges. Als er genauer nachschaute, sah er auch im Mahlkasten Spuren von
frischem Mehl. Krabat wunderte sich und fragte sich, ob heute Nacht auf dem
Toten Gang gemahlen worden war. Ihm fiel ein, dass die Mühlknappen beim
Frühstück müde ausgesehen hatten. Allerdings sah Krabat dann, dass es sich
beim angeblichen Mehl um Zähne und Knochensplitter handelte."
[Quelle:
]
"Es ist nicht klar, ob der
Gevatter eine andere Bezeichnung für den Teufel ist. Die Schwarze Kunst, das
Tragen der Hahnenfeder, sein Hinken (Anspielung auf einen Pferdefuß) und
Mahlen von Knochen sprechen dafür [...]. Der Gevatter Tod im gleichnamigen
Märchen ist dagegen nicht zwangsläufig eine böse Figur."
[Quelle:
]
Genau genommen gibt es zu der Regel
ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig
eine Einschränkung: manchmal gibt es in Maschinen Zahnräder, die sich für eine Weile drehen ["lebendig" sind] und zu anderer Zeit stillstehen ["tot" sind].)
Lasset uns nun aber erstmal einfach "nur" staunen:
(Ausschnitt aus dem Computerspiel
)
(Ausschnitte aus dem Film
)
(Ausschnitt aus dem Film
)
(keine echten Zahnräder, sondern "nur" eine
Computeranimation;
das sieht phantastisch aus, aber vermutlich würde
diese Uhr nie wirklich funktionieren,
was mich hier, wo es erst nur um
die Schönheit geht, ausnahmsweise sogar mal freut)
last but not least ein echtes mechanisch-ästhetisches Meisterwerk
(bzw. nur ein
Film davon):
(Preis: schlappe 259.000 €)
Seit ich mich mit Zahnrädern beschäftige, habe ich mehrfach von Laien, die nichts mit
(auf den Bildern sowieso nicht sichtbarer)
Mathematik am Hut haben, gehört, dass sie sich
gerne
eine echte Zahnradkombination wie z.B.
oder
als
"Kunstobjekt" in ihrem Wohnzimmer aufzustellen oder aufzuhängen.
Trauen wir uns jetzt aber doch an einen demütigen Versuch, die Schönheit der o.g. Zahnräder zu verstehen: wichtige Kriterien scheinen mir da zu sein:
das Material (meist Metall):
es liegt schwer in der Hand und wirkt daher "wertig"
(man
möchte es und
vielleicht sogar wie einen Handschmeichler
streicheln;
allerdings sollte man seine Finger niemals zwischen zwei sich drehende
Zahnräder bekommen
) ,
der glänzende und
spiegelnde Edelmetalloptik:
,
die hochpräzise
Ausführung:
.
scheint Symmetrie ein wichtiges Schönheitskriterium zu sein, und Symmetrie ist ein wichtiges Thema in der Mathematik:
Ein Zahnrad ist (in der Regel)
ein Kreis,
aus dem sehr präzise gleichförmige
Rillen herausgefräst werden
,
so dass viele gleichgroße "Zähne" übrig bleiben:
Nun ist schon allein der Kreis (noch ohne Zähne) ein ewiges Faszinosum der Mathematik, weil er
so (scheinbar) einfach ist
(alle
Punkte, die gleich weit vom
Mittelpunkt entfernt sind; einfach ist
der Kreis allerdings nicht
mehr, wenn man aus dem Radius seinen
Umfang oder seine Fläche berechnen möchte, was zu der ebenso komplizierten
wie hochinteressanten Zahl
führt)
,
perfekt symmetrisch ist
(punktsymmetrisch zum
Mittelpunkt
, achsensymmetrisch zu jeder Geraden
durch den Mittelpunkt
, drehsymmetrisch
um jeden beliebigen Winkel α
).
Kein Wunder, dass schon die alten Griechen den Kreis (neben der ebenso einfachen Geraden) heiliggesprochen haben, indem sie geometrische Konstruktionen nur mit dem Zirkel (und Lineal)) erlaubt haben.
(s.o.):
ein Zahnrad kommt nie alleine,
ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig.
Es ist ja doch bezeichnend, dass man in Suchmaschinen
(außer wenn man einzelne Zahnräder kaufen möchte)
kaum Fotos einzelner, sondern mehrerer Zahnräder findet: die eigentliche Faszination durch Zahnräder scheint erst durch ihr Zusammenspiel (in Bewegung) zustande zu kommen.
Die Schönheit dieses Zusammenspiels lässt
sich aber kaum mathematisch erfassen, sondern da ist eher die
Metapher des Tanzes
hilfreich:
Kein Wunder also, dass Zahnräder oft als Metaphern für
benutzt werden.
![]() |
Blöd nur, wenn man dabei Zahnradbilder verwendet, die misslungene Teamarbeit zeigen:
|
![]() |
Ästhetisch reizvoll ist auch die
-Form
(zusammengesetzt aus den
Kreisausschnitten
!),
z.B. wenn Charlie durch eine Maschine gezogen wird:
(Der Witz bei diesem
Ausschnitt aus dem tragikomischen Filmklassiker
besteht natürlich darin,
dass da
einerseits ein Mensch von einer Maschine aufgefressen wird
und
das andererseits sehr harmonisch wirkt.)
Zahnräder waren mal Speerspitzen des
industriellen Fortschritts, scheinen aber heute im Zeitalter der
(angeblichen) Deindustrialisierung, der Computer und des Internets, also des
Virtuellen, nur noch zur Nostalgie ("früher war alles besser") geeigneter
Trödel
zu
sein.
Und doch tauchen sie noch ab und zu in dieser schönen neuen Welt auf:
bei den "Einstellungen"
von Apple-Produkten:
,
als Zeichen für den
Installations- oder Ladeprozess auf Computern:
,
, das
stilisierte (aufs Wesentliche reduzierte) Zahnrad
.
(Nebenbei: in der guten alten Zeit, als alles noch aus Holz oder Metall war [links], wurde noch der [oftmals stockende oder sogar stehenbleibende] Ladefortschritt gezeigt, heute [rechts] dreht sich alles nur noch im Kreis:
)
Zahnräder scheinen da
Symbole dafür zu sein, dass im Hintergrund wieder mächtig was
weggeschuftet
wird.
Bemerkenswert finde ich es
aber, mit welch gigantischem mechanischen bzw. computertechnischem
(virtuellem)
Aufwand dem mechanischen Zahnrad Denkmäler
gesetzt
werden:
Nun zu
Oder kurz "Zahnräder sind einfach", wie wir ja
schon anhand von
gesehen haben.
Nur ist es leider doch nicht ganz so einfach:
Einen ersten Hinweis
darauf, dass Zahnräder doch nicht ganz so einfach sind, wie
suggeriert,
liefert
.
Zwei Gründe für solch einen enormen Planungs- und Herstellungsaufwand sind:
Wie anspruchsvoll die Konstruktion eines Zahnrads sein kann, sei mit einem einzigen Video angedeutet:
Funktion und Konstruktion der dabei benötigten "Evolvente" lassen sich aber durchaus praktisch mit Schülern durchführen:
Es geht mir hier also um sehr viel mehr als nur die Berechnung von Zahnrädern oder das Rechnen mit Zahnrädern
(Verhältnisse der Anzahl der Zähne),
nämlich auch um die Kulturgeschichte des Zahnrads, wie sie etwa in dem folgenden ebenso uralten (nicht mehr jugendgemäßen) wie brillanten Film deutlich wird:
PS: | teilweise nach denselben (u.a. mathematischen) Kriterien wie bei
Zahnrädern schön sind auch Turbinen:
|