wir wissen zwar nicht, was dieser freundliche Apotheker empfiehlt,
aber wir empfehlen
zeitverzögerte Selbstbelohnung
Manchmal gibt es in der Mathematik (etwa in Übungsphasen) langweilige, aber unvermeidliche Durststrecken.
Oder immer wieder fällt doch auf, dass viele SchülerInnen sich für die Lösung von Aufgaben viel zu wenig Zeit nehmen, nämlich sofort aufgeben, wenn sie nicht auf Anhieb eine Lösung oder zumindest doch einen Lösungsansatz finden
(oder spätestens, wenn sie sich ein erstes Mal verrechnet haben).
Da kann es helfen, mit zeitverzögerten Belohnungen zu arbeiten, also z.B. zu sagen:
"Wenn ihr kräftig fünf Minuten arbeitet, erlauben wir uns danach eine kleine Pause."
"Wenn ihr zehn Minuten durchhaltet, laufen wir danach einmal um die Schule."
"Wenn ihr diese Schulstunde durchhaltet, lese ich euch in der nächsten Schulstunde eine Geschichte vor."
"Wenn ihr eine Woche durchhaltet, zeige ich euch danach ein Video."
"Wenn ihr einen Monat durchhaltet, fahren wir zusammen zum Tetraeder in Bottrop."
Die Belohnungen können dabei durchaus "außermathematisch" sein (z.B. eine Minitüte Gummibärchen für jeden), genauso aber - und auf die Dauer besser - "innermathematisch": vgl. etwa die Tetraeder-Fahrt
(ideal wäre sie als Belohnung für eine Unterrichtseinheit zu Tetraedern; und diese Unterrichtseinheit sollte eben ausdrücklich auf den bottroper Tetraeder vorbereiten!).
Oder das versprochene Video sollte natürlich nicht irgendein Video sein
("Hauptsache viereckig, und allemal besser als Mathematik"),
sondern beispielsweise
Und die versprochene Geschichte wäre z.B. oder
(Apostolos Doxiadis: Onkel Petros und die Goldbachsche Vermutung).
Nun, so naiv bin ich natürlich nicht zu meinen, dass für jemanden, der prinzipiell an Mathematik desinteressiert ist, ein mathematisches Geschenk sonderlich attraktiv ist.
Mit solchen zeitverzögerten Selbstbelohnungen im Unterricht soll natürlich dafür geworben werden, dass die SchülerInnen sich auch zu Hause zeitverzögert selbst belohnen, also z.B.
"Wenn ich mir ordentlich Zeit für meine Hausaufgaben nehme, darf ich mir hinterher eine schon seit langem gewünschte CD kaufen."
Hier deutet sich aber auch die zeitverzögerte Selbstbestrafung an:
"Wenn ihr NICHT kräftig fünf Minuten arbeitet, erlauben wir uns danach KEINE kleine Pause."
"Wenn ihr NICHT zehn Minuten durchhaltet, laufen wir danach NICHT einmal um die Schule."
"Wenn ihr NICHT diese Schulstunde durchhaltet, lese ich euch in der nächsten Schulstunde NICHT eine Geschichte vor."
"Wenn ihr NICHT eine Woche durchhaltet, zeige ich euch danach KEIN Video."
"Wenn ihr NICHT einen Monat durchhaltet, fahren wir NICHT zusammen zum Tetraeder in Bottrop."
D.h. der Unterricht sollte konsequent sein - und Konsequenz vormachen:
"Wenn ich mir NICHT ordentlich Zeit für meine Hausaufgaben nehme, darf ich mir hinterher NICHT die schon seit langem gewünschte CD kaufen."
Problematischer als die Kollektivbelohnung ist aber die Kollektivbestrafung, falls z.B. einige SchülerInnen die Bedingung der Belohnung nicht erfüllen.
(Was macht man beispielsweise, wenn einige Schüler die Bedingung für das Video-Anschauen nicht erfüllt haben? Darf es dann keiner anschauen? Bzw. was macht man während der Videovorführung mit den "Missetätern"?)
Wirklich überzeugend wird das System der "zeitverzögerten Selbstbelohnung/-bestrafung" aber vielleicht erst, wenn es auch für den Lehrer gilt.
Z.B. ist es bei mir die Regel, dass die SchülerInnen keine Hausaufgaben machen müssen, wenn ich das Schulbuch vergessen habe
(was allerdings höchst selten geschieht).
Aber das ist natürlich ein ziemlich schlechtes Beispiel, weil da des einen Belohnung des anderen Strafe ist:
ich werde dadurch bestraft, dass die SchülerInnen keine Hausaufgaben machen müssen, also belohnt werden;
umgekehrt also auch: ich werde dadurch belohnt, dass die SchülerInnen in der Regel Hausaufgaben machen müssen, also bestraft werden - womit Hausaufgaben als Strafe erscheinen
(als die sie von vielen SchülerInneN sowieso empfunden werden?).
Sinnvoller wäre es schon, dass ich den Klassenraum aufräumen muss
(wozu ich mir ab und zu sowieso nicht zu schade bin!),
wenn ich das Schulbuch vergessen habe
(was noch lange nicht heißt [aber doch heißen könnte?], dass nun jedeR SchülerIn, die/der das Schulbuch vergessen hat, den Klassenraum aufräumen muss;
aber eigentlich sollte die "Strafe" ja mit der "Straftat" zusammenhängen).
Oder ein Lehrer kann ja auch rein verbal vormachen, wie er sich manchmal belohnt
(wenn´s wirklich stimmt).
Also z.B.:
"Erst nachdem ich die Korrektur eurer Klassenarbeiten fertig hatte, habe ich mir das Buch
genehmigt."
(... wobei man sich natürlich streiten kann, ob man SchülerInneN gegenüber laut sagen darf, dass das Korrigieren von [ihren!] Klassenarbeiten eine Zumutung ist, die einer Belohnung würdig ist.)
Der (utopische?) Idealfall wäre natürlich, dass SchülerInnen sich mit einer Mathematikaufgabe nicht für eine äußere (und sei´s "innermathematische") Belohnung beschäftigen würden, sondern wenn die Beschäftigung mit der Aufgabe "Selbstzweck" würde, also aus Spaß am "Knobeln" und dem Erfolgserlebnis, wenn sie die Lösung finden.
Die Botschaft "belohnt euch für getane Arbeit selbst" bleibt bestehen, aber werden wir ansonsten realistisch:
es lassen sich nicht andauernd Pausen, Dauerläufe, Geschichten, Videos und Tagesausflüge versprechen.
Vielmehr sollten die SchülerInnen nach vielen Durchgängen gewiss sein, dass einer unvermeidlichen knochentrockenen Phase des Mathematikunterrichts auch - als Belohnung - wieder eine interessantere folgen wird. Das aber ist vielleicht die schwierigste Herausforderung:
dass der Mathematikunterricht
nicht immer derselbe Einheitsbrei ist. |
Aber nochmals:
so naiv bin ich natürlich nicht zu meinen, dass für jemanden, der prinzipiell an Mathematik desinteressiert ist, ein mathematisches Geschenk sonderlich attraktiv ist.
Aber vielleicht kann man mit einer "Dramatik" der Unterrichtsphasen ja doch mehr SchülerInnen ködern.