das wichtigste Schulfach: Geschichte
Clio, die Muse der Geschichte
Vielleicht der wichtigste Grund für das Fach Geschichte: "Die[...] Geschichte hält uns einen Spiegel vor und läßt uns erkennen, wie unsere Wahrnehmung [...] über die Jahrhunderte Purzelbäume geschlagen hat [... und also wohl auch heute noch schlägt]." | |
"Doppelt lebt, wer auch Vergangenes genießt." (Marcus Valerius Martialis) Den Vereinigten Staaten Amerika, du hast es besser Als unser Kontinent, das alte, Hast keine verfallene Schlösser Und keine Basalte. Dich stört nicht im Innern, Zu lebendiger Zeit, Unnützes Erinnern Und vergeblicher Streit. [...] (Johann Wolfgang Goethe) | |
"für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion." | |
"Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." | |
"Wir lernen aus der Geschichte, daß wir aus der Geschichte nichts lernen." | |
"Die wichtigste Lehre der Geschichte ist die, daß die Menschen nicht sehr viel aus der Geschichte lernen." | |
"Die Geschichte ist das gefährlichste Elaborat, das die Chemie des Intellekts produziert hat. Seine Eigenschaften sind allbekannt. Es bringt die Völker ins Träumen, versetzt sie in Rausch, gaukelt ihnen eine Vergangenheit vor, übersteigert ihre Reflexe, hält ihre alten Wunden am Schwären, stört sie in ihrer Ruhe auf, treibt sie zu Größenwahn oder auch zu Verfolgungswahn und macht, dass die Nationen verbittert, auftrumpfend, unausstehlich und eitel werden. |
Vorweg: in Schüleraugen ist vielleicht Sport das wichtigste Fach: besser in Mathe als in Sport eine 5!
Inzwischen führen sich ja Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen als sogenannte "Kernfächer" auf. Ich will hier gar nicht diskutieren, warum das so ist, zweifle aber rundweg, dass bestimmte Fächer (zumindest durchgehend) unterrichtet werden müssen.
Abgesehen von gewissen technischen Grundfertigkeiten
(lesen, schreiben und rechnen)
muss doch der Unterricht nicht Fakten vermitteln, sondern möglichst vielfältige Denk- und Herangehensweisen an die Welt (vgl. ).
Die schlichtweg grundlegende dabei ist für mich die historisch-genetische.
Natürlich geht es nicht an, dass im Fach Geschichte rein politische Zahlengeschichte unterrichtet wird ("3-3-3- Issos Keilerei"), sondern selbstverständlich gehören in die Geschichte auch andere kulturelle Teilgebiete hinein
(vielleicht als Basis eben doch die Ökonomie?).
Nur ein Beispiel:
"Dass der Engländer Isaac Newton mit seinen bahnbrechenden [physikalisch-mathematischen!] Forschungen dazu beigetragen hatte, dass seine Landsleute zu den besten Navigatoren wurden, was wiederum England die Vorherrschaft auf dem Meer ermöglichte, hatte auch den Schwerpunkt des mathematischen Interesses bestimmt."
(Arild Stubhaug; Kursivschreibung von mir, H.St.)
Umgekehrt geht es aber auch nicht an, dass die "sonstigen" Fächer völlig unhistorisch unterrichtet werden:
gerade in den Naturwissenschaften setzt sich ja immer mehr der evolutionäre Gedanke durch
(inzwischen scheinen sogar die Natur"konstanten" selbst historisch veränderlich zu sein),
ist keine Wissenschaft einschüchternd fertig vom Himmel gefallen, sondern hat sich jede langsam (wenn auch vielleicht manchmal in abrupten Sprüngen) entwickelt.
Vgl. beispielsweise
(Es ist in der Schule teuflisch schwierig, zu historischem Bewusstsein anzuleiten, das sich nur ganz langsam entwickelt. Bücher wie die soeben gezeigten sind da aber ganz besonders geeignet, weil sie
von einem Thema ausgehend doch weit in die Kulturgeschichte ausgreifen,
höchst verständlich und spannend erzählen.
Deshalb sollten solch naturhistorisch-populärwissenschaftliche Bücher sehr viel mehr im Unterricht behandelt werden).
Solche Bücher bieten dem Lernenden Gelegenheit, den großen Meistern selbst beim Lernen zuzuschauen! Sie zeigen (ohne nun alles zu erklären), wie "man" drauf kommt, statt dass alles nur endgültig fertig vorgesetzt wird.
Und überhaupt:
"Die Geschichte der Wissenschaft ist die Wissenschaft selbst."
(Johann Wolfgang von Goethe)"Die gesamte Geschichte einer Disziplin wird herangezogen, um ihren neuesten und »fortgeschrittensten« Entwicklungsstand zu verbessern. Die Trennung zwischen Geschichte einer Wissenschaft, ihrer Philosophie und der Wissenschaft selber löst sich in nichts auf [...]."
(Paul Feyerabend)
Ich halte sämtliche Schulfächer für prinzipiell durcheinander ersetzbar:
Wer nicht Mathematik, aber Physik belegt, wird eben doch mathematische Denkweisen lernen, weil die Physik heutzutage nun mal weitgehend mathematisch ist.
Es muss nicht das Fach Geschichte selbst sein: genauso reichen Literatur-, Sozial- oder Naturwissenschaften (oder "sogar" Mathematik), wenn diese Fächer eben nur prinzipiell historisch gedacht und eingebettet werden.
Sorry, lieber George Santayana, aber ich befürchte, dass, wer
"Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."
sagt, damit immer schon unterstellt, was aus der Geschichte gelernt werden soll - nämlich die eigene Ideologie bzw. Meinung.
Da neige ich eher zu Valérys Ansicht, dass man aus der Geschichte nichts lernen könne, weil sie für alles Beispiele liefere.
Oder zumindest kann man aus der Geschichte nur partiell lernen, wenn man voraussetzt, dass sie sich nicht identisch wiederholt und auch ganz Neues bringt.
Weshalb dann überhaupt mein Insistieren auf dem Fach Geschichte?
Weil man aus der Geschichte etwas "übergeordnetes" lernen kann, das mir ungeheuer wichtig erscheint:
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Geschichte liefert keine (eindeutigen) Verhaltensregeln, sondern glatt im Gegenteil "nur" vielfältigste Denkmodelle (auch davon, was Geschichte eigentlich "ist").
Historisches Bewusstsein macht also die Welt Geschichte ist gefäßerweiternd - und macht einfach Spaß. |
Kleiner Tipp: wenn Sie in Ihrer Stadt überhaupt noch eine halbwegs gutsortierte Buchhandlung
(also nicht so eine fast-food-Buchhandlung mit stapelweise Krimis, "historischen" Romanen und fantasy)
haben, kaufen (und lesen!) Sie alles in der Abteilung "Kulturgeschichte".